Seit heute (01.10.2013) führt das Gymnasium Pullach den Schulnamen
„Otfried-Preußler-Gymnasium Pullach“,
den Herr Staatsminister Dr. Ludwig Spaenle uns mit Urkunde vom 23. 08. 13 verliehen hat.
Otfried Preußler, der am 18. Februar 2013 im Alter von 89 Jahren gestorben ist, war nicht nur ein weltberühmter Schriftsteller, sondern auch ein ambitionierter Pädagoge, dessen klare Vorstellungen und Überzeugungen sich wie ein roter Faden durch sein ganzes Werk ziehen.
Er schrieb ganz explizit nicht nur für Kinder und Jugendliche, sondern stets auch für Erwachsene. Nie wählte er eine Sprache, die spezifisch für Kinder erdacht war. Er nahm Kinder und Jugendliche als besonders kritisches Publikum wahr und traute ihnen zu, dass sie die Situationen und Erfahrungen, die das Leben den Menschen zumutet, verstehen und verkraften können und müssen. Die Kraft, die sie dazu benötigen, schöpfen sie, davon war er zutiefst überzeugt, aus der Phantasie, die ihnen in besonderem Maße zur Verfügung steht und die sie entwickeln, wenn sie zur rechten Zeit am richtigen Ort mit den passenden Geschichten oder dem passenden Buch Bekanntschaft machen. Dass sich die Erwachsenen diese Phantasie bewahren sollten, um im Leben zu bestehen, ergibt sich daraus wie von selbst. Der Roman „Krabat“ ist für Jugendliche und Erwachsene jedes Alters geschrieben, das steht außer Zweifel. Liebe und Tod stehen im Mittelpunkt und gehören zu den Mythen, die in jeder Literatur vorkommen. Aber auch „Die kleine Hexe“, mit der wir alle aufgewachsen sind, behandelt Themen der Weltliteratur. Hier geht es um die Ambivalenz von Gut und Böse, es geht um die Rolle von Erziehern und Vorbildern, um die Stärkung des Selbstwertgefühls, den Mut, das für richtig Erkannte zu leben, auch gegen eine vermeintliche Übermacht von Andersdenkenden. Alle Werke Preußlers haben eines gemeinsam: Bei allem Ernst, den das Leben für junge Menschen bereithält, gibt es die Möglichkeit der Wendung zum Guten. Krabats Kantorka besiegt die Macht des Bösen durch ihre Liebe.
Die kleine Hexe hext den bösen Hexen das Hexen ab und feiert allein, aber ausgelassen die Walpurgisnacht, die auf einmal eine ganz neue Qualität und Zukunftsperspektive erhält. Eltern, Erzieher und Pädagogen können ihre Selbstzweifel überwinden und erleben, dass ihr Rat schließlich doch auf fruchtbaren Boden fällt. Wie sehr hatte der Rabe Abraxas zunächst an sich selbst gezweifelt, als er erkennen musste, dass seine Definition des Guten so gar nicht mit der der Hexengesellschaft übereinstimmte? Wie groß mag die Sorge des Uhus Schuhu gewesen sein, als er begriff, dass „Das kleine Gespenst“ doch die gefährliche Grenzüberschreitung wagte, wider seinen Rat? Auch der Karpfen Cyprinus muss erkennen, dass sein Alter und seine Weisheit den „Kleinen Wassermann“ zunächst nicht davon abhalten, eigene Erfahrungen zu machen. Wichtig in jeder Preußlergeschichte sind am Ende in jedem Fall der Zuwachs an Erkenntnis, das Wachsen der Kritikfähigkeit, der Zugewinn an Selbstbewusstsein und Mut, für die jeweilige einzelne Persönlichkeit, aber auch für die kleine und große gesellschaftliche Gruppierung, der man angehört. „Bravo, bravo!“ ruft der dumme August, als er erkennt, wie perfekt seine Frau, „Die dumme Augustine“, ihn im Beruf ersetzt, nachdem er krank geworden ist. Und „bravo, bravo“ ruft auch der Zirkusdirektor, der es ihr niemals zugetraut hätte.
Otfried Preußlers Werke wurden in 55 Sprachen übersetzt, viele seiner Bücher wurden verfilmt, etliche bearbeitete er für das Theater, millionenfach wurden seine Geschichten auf Tonträger gepresst. Mehr als 50 Millionen in aller Welt verkaufte Bücher sprechen für sich. Es muss etwas in diesen Erzählungen geben, das jenseits aller kulturellen Unterschiede wirkt, das nämlich, was seit Menschengedenken Literatur ausmacht.
Preußler erhielt für sein Werk viele nationale und internationale Literaturpreise, u.a. den Großen Preis der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur, den Internationalen Hans-Christian-Andersen-Preis, den Europäischen Jugendbuchpreis, den American Library Award, den Josef-von Eichendorff-Preis u.v.m.. Er wurde mit den höchsten Orden ausgezeichnet, z.B. allen Stufen des Bundesverdienstkreuzes, der Verdienstmedaille Pro Meritis des Freistaats Bayern, dem Bayerischen Verdienstorden sowie dem Bayerischen Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst. Die Republik Österreich erhob ihn in den Stand eines Titularprofessors.
Geblieben ist er trotz aller Ehrungen stets der „Schulmeister“, wie er sich immer nannte, der für Kinder und Jugendliche lebte und schrieb, der für das Recht auf Kindheit engagiert und couragiert eintrat, gegen die Egoismen der Erwachsenenwelt:
„Die Kinder brauchen uns nämlich, sie brauchen uns mehr und dringender als wir meinen. Unser Verständnis brauchen sie, unsere Zuwendung und Geduld, sehr viel Nachsicht in vielen Dingen und sehr viel Festigkeit, wo es deren bedarf. Mithin also brauchen sie, alles in allem genommen, unsere Liebe. Unserer Liebe bedürfen sie, unsere Liebe verdienen sie, ohne Wenn und Aber.“ (aus: Otfried Preußler, Ich bin ein Geschichtenerzähler. Stuttgart, Wien (Thienemann-Verlag) 2010)
Die Kombination aus „Liebe, Geduld und Nachsicht“ einerseits sowie „Festigkeit“ andererseits beschreibt ein pädagogisches Konzept, das eigentlich über dem Eingangsportal einer jeden Schule stehen könnte, aber auch die Grundlage von Erziehung in der Familie treffend beschreibt. Es wäre ganz falsch zu glauben, dass „Liebe, Geduld und Nachsicht“ allein dem Elternhaus zuzuschreiben wären und „Festigkeit“ der Schule. In beiden Zusammenhängen wird beides notwendig sein, idealerweise in Ergänzung und gegenseitiger Unterstützung.
Otfried Preußler ist für unser Gymnasium ein würdiger Namenspatron, der für pädagogische Ziele und Ideale steht, und, der als Schriftsteller und Bühnenautor in Bayern und Deutschland, in Europa und der ganzen Welt bekannt und beliebt ist.
Preußler, der 1923 in Reichenberg/Böhmen geboren wurde, bekannte sich stets zu Bayern. Er kenne, so schreibt er in „Ich bin ein Geschichtenerzähler“, „kein besseres Land unter Gottes Sonne, wo wir lieber leben und eines schönen, hoffentlich noch in angemessener Ferne befindlichen Tages auch sterben möchten als eben hier.“
Am 20. Oktober 2013 wäre Otfried Preußler 90 Jahre alt geworden. Als gläubiger Christ sah er im Tod nichts Endgültiges. Wir dürfen ihn deshalb getrost feiern und in seinem Werk fortleben sehen. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 24. 02. 2013 brachte es auf den Punkt: „Otfried Preußlers Werke haben diese Welt heller gemacht und mit einem guten Zauber ein wenig verwandelt.“
Renate Einzel-Bergmann
Für mehr Informationen zu Otfried Preußler besuchen Sie www.preussler.de